Corona-Politik – Der Rückhalt erodiert

Kaum ein Ereignis hält die Welt vergleichbar in Atem wie die Corona-Pandemie. Schien die Bedrohung anfangs noch weit entfernt, verdeutlichten die Bilder von überfüllten Krankenhäusern und Krematorien in Norditalien und die Ereignisse im Kreis Heinsberg: Corona ist heimtückisch und Corona kennt keine Grenzen. Kein Land, das sich nicht gegen die Pandemie wappnen musste. Deutschland reagierte seinerzeit vergleichsweise rasch und konsequent. Die getroffenen Maßnahmen stießen ungeachtet ihrer harten Konsequenzen für jeden Einzelnen auf hohe Zustimmung, wie eine 2020 durchgeführte repräsentative Studie von pmg ergab. Drei von vier Bundesbürger_innen äußerten sich seinerzeit zufrieden mit dem Krisenmanagement der Bundesregierung, weil sie die Einschränkungen als angemessen und die Maßnahmen als wirksam betrachteten. Die schnell kursierenden Vergleichszahlen über den weltweiten Verlauf der Pandemie gaben ihnen Recht, denn Deutschland verzeichnete niedrigere Infektionszahlen und weit weniger Tote als die meisten Nachbarländer. Hat dieses positive Urteil auch in der zweiten Welle Bestand? Antworten liefert eine aktuelle Studie von pmg. Deren wichtigste Ergebnisse in aller Kürze:

Die zweite Infektionswelle kam erwartbar und sie ließ ausreichend Zeit, Maßnahmen zu deren Eindämmung und zur Minimierung negativer Folgen zu treffen. Dies ist den Verantwortlichen offenbar nicht in gleichem Maße gelungen wie im Frühjahr letzten Jahres. Die Bewertung des Regierungshandelns fällt diesmal deutlich nüchterner aus als seinerzeit. Nur noch gut die Hälfte (54 % gegenüber 77 % in 2020) sind zufrieden Krisenmanagements der Bundesregierung, fast ebenso viele (46 %) äußern sich kritisch. Die konträr verlaufenden Erwartungen der Bürger machen die Entscheidungsfindung für die Verantwortlichen allerdings auch nicht leichter: 32 % gehen die beschlossenen Maßnahmen zu weit (2020 23 %), 14 % gehen sie nicht weit genug (2020 6 %). Wie schon nach der ersten Welle, fordern Lockerungen vor allem die jüngeren und mittleren Altersgruppen, darunter insbesondere Eltern minderjähriger Kinde. Sie fühlen sich stärker als andere durch die starken Reglementierungen eingeschränkt. In diesen Bevölkerungsgruppen ist auch der Zweifel an der Gefährlichkeit des Corona-Virus ausgeprägter als in anderen. Die große Mehrheit der Bevölkerung (72 %) teilt diese Zweifel jedoch nicht. Von der Gefährlichkeit des Virus überzeugt ist vor allem die Risikogruppe der über 70jährigen, deren große Mehrheit nicht zuletzt deshalb die dagegen getroffenen Maßnahmen insgesamt für geboten und auch als wirksam erachtet.

Wie nicht anders zu erwarten, werden die getroffenen Regeln sehr unterschiedlich bewertet. Einige werden fast durchweg als sinnvoll erachtet, wie etwa Schnelltests vor Besuchen in Pflegeheimen und Krankenhäusern oder eine Quarantäne-Verpflichtung für Rückkehrern aus Risiko-Ländern. Auch Home-Office, wo immer möglich, und Maskenpflicht beim Einkaufen oder in öffentlichen Verkehrsmitteln treffen auf hohe Zustimmung. Nicht einleuchtend findet dagegen eine Mehrheit der Jüngeren den Sinn nächtlicher Ausgangsbeschränkungen in Regionen mit hohen Infektionszahlen. Viele Eltern halten zudem die Schließung von Schulen und Kindergärten nicht für zielführend. Besonders strittig ist über alle Bevölkerungsgruppen hinweg der Lock-Down von Restaurants, Cafés und Geschäften. Eine solch massive Einschränkung des öffentlichen Lebens halten nur 52 % für geboten, fast ebenso viele (47 %) erachten diese Vorsichtsmaßnahme als übertrieben.

Die konsequente und erfolgreiche Eindämmung der ersten Corona-Welle erbrachte Deutschland seinerzeit – zumindest innerhalb der EU – den Nimbus des Klassenprimus. Nach dem im Vergleich dazu eher zögerlichen und nicht immer konsistenten Management der zweiten Corona-Welle hat dieses Positivimage in der eigenen Bevölkerung Schaden genommen. Nur eine Minderheit (38 %) ist der Überzeugung, dass Deutschland die Krise weiterhin besser bewältigt als andere Länder, immerhin jeder Fünfte hat den gegenteiligen Eindruck, weitere drei von Zehn bewerten das deutsche Krisenmanagement als eher mittelmäßig. Diese Skepsis gegenüber der Fähigkeit zur Krisenbewältigung ist insofern bedenklich, weil Zwei von Drei Deutschen davon ausgehen, dass die Corona-Krise nicht vor einem Jahr bewältigt sein dürfte und Drei von Vier schätzen die Gefahr für das Aufkommen vergleichbarer Pandemie als groß ein.

Das energische und überlegte Einschreiten der Verantwortlichen in der Bundesregierung und den Landesregierungen in der ersten Pandemie-Welle trug dazu bei, die in der Migrations- und Klimadebatte fortschreitende Polarisierung in der Bevölkerung abzubauen und das verloren gegangene Vertrauen in die Politik  zurückzugewinnen. Vor der Krise hatten nur noch 35 % Vertrauen in Bundesregierung und Bundestag, nach dem Lock-Down waren es 52 % bzw. 49 %. Nur ein gutes halbes Jahr später näherte sich der Anteil derer, die ihr Vertrauen in Regierung und Parlament bekundeten, mit 44 bzw. 42 % wieder dem niedrigen Niveau der Jahre zuvor. Der Vertrauensverlust betrifft alle an der Pandemie-Bekämpfung maßgeblich beteiligten Bundesministerien, auffallend groß ist dabei die Unzufriedenheit mit der Rolle des Wirtschaftsministeriums sowie des Bildungsministeriums (53 % bzw. 65 % Unzufriedene). Hohes Vertrauen genießen dagegen nach wie die Wissenschaft(70 % nach zuvor 72 %) und das Gesundheitswesen (61 % nach zuvor 65%), also zwei Institutionen, die bei der Eindämmung der Pandemie eine herausgehobene Rolle spielen.

Die Pandemie-bedingten Einschränkungen hatten und haben eine wirtschaftliche Rezession zur Folge, die der der Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/2009 nur wenig nachsteht. Diese wirtschaftlichen Probleme werden von der Bevölkerung sehr wohl wahrgenommen: sieben von zehn Bundesbürger_innen bewerten die aktuelle wirtschaftliche Lage als weniger gut (45 %) oder schlecht (25 %). Vor diesem Hintergrund ist bemerkenswert, dass der Anteil derer, die sich um die eigene finanzielle Lage Sorgen machen, gegenüber Sommer letzten Jahres leicht zurückgegangen ist (von 36 auf 30 %), und dass sich unverändert nur knapp jeder Vierte Sorgen um den eigenen Arbeitsplatz macht. Nach wie vor sind zwei Drittel der Bevölkerung mit ihrer aktuellen Lebenssituation zufrieden, und nach wie vor sieht eine Mehrheit (59 %) auch mit Zuversicht in die eigene Zukunft. Dies zumindest kann sich die Politik zu Gute halten: offenbar ist es gelungen, mit sehr zielgenauen sozialen und arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen die negativen Folgen des Lock-Downs für die Bürger_innen zu minimieren.